OUTER GLOW





Outer Glow
Marta Djourina
24. Juni – 25. August 2023

Marta Djourina schlendert durch die Straßen New Yorks, besucht an mehreren Tagen unterschiedliche Orte zu verschiedenen Tageszeiten. In ihrer Hand eine kleine selbstgebaute Lochkamera aus Pappe. Ihr Finger liegt auf der Öffnung und wird gelegentlich angehoben, um den Lichteinfall und damit die Belichtung des analogen Films zuzulassen. Die Künstlerin dreht sich hierbei um die eigene Achse, nimmt alle Eindrücke um sich herum auf. In Djourinas aktueller Videoarbeit “Frame of Time”, die erstmalig im Verein Junge Kunst in Wolfsburg ausgestellt wird, erstrecken sich diese aufgenommenen Panoramen. Sie sind Zeugnis ihrer Reise, Momentaufnahmen ihres schweifenden Blicks, der sich hier jedoch vor den Augen der Betrachter*innen – in der Weite der verschwommenen Landschaften oder aufleuchtenden bunten Lichter als Erinnerungsfetzen – auflöst. Das menschliche Sichtfeld ist durch eine natürliche Begrenzung definiert, unsere Umgebung im wahrsten Sinne nur ausschnitthaft zu betrachten. Die Schnelligkeit der Großstadt, die Ungeduld einer kapitalistischen Gesellschaft und die konstante mediale Überreizung haben einen enormen Einfluss auf die Qualität unserer Wahrnehmung. In diesem dokumentarisch-abstrakten Werk widmet sich die Künstlerin einem Innehalten, dem Stehenbleiben und Aufsaugen des Augenblicks. 

Die Lochkamera, bestehend aus zwei Filmspulen und einer Streichholzschachtel als Kamerakörper, schafft keine einzelnen Frames, sondern ein Fließbild an Impressionen. Ihre reduzierte Funktion ermöglicht eine Unmittelbarkeit zwischen der Belichtung des Fotofilms und der direkten Umgebung. Das Panorama hält den Rundumblick und ihre Bewegung fest, wodurch die Aufnahmen eine nachvollziehbare Zeitlichkeit und Abfolge konservieren. Spuren des Lichts, die Bewegungen im Stadtraum und die eigene Drehung werden ebenso abgebildet, wie Architektur, Bäume, Menschen, Autos oder Fahrräder. Konstant pendelt die erzählerische Ästhetik zwischen Dokumentation und Abstraktion.  

In der fortlaufenden Werkreihe “Sole”, die zum jetzigen Zeitpunkt aus knapp 45 Unikaten besteht, archiviert Marta Djourina den direkten Einfluss von Sonnenlicht und Salzwasser auf analogem, unbehandeltem, für s/w Prozesse vorgesehenem Papier. Das Salz des Meerwassers verätzt dessen Oberfläche, Rückstände von Sand und Algen lassen die Werke haptisch erscheinen. Es erhält eine Art Patina, die an nass und alt gewordene Kupferplatten erinnert. Abstrakte Lichtereignisse entstehen, die freie Assoziationen zu Naturphänomenen zulassen. Für die Umsetzung von „Sole“ reiste sie an Gewässer unterschiedlichster Orte. So arbeitete sie 2020 an der bulgarischen Schwarzmeerküste. Dieses Jahr fuhr sie im Frühjahr an den New Yorker Stadtstrand Rockaway Beach.

Die Ausstellung „Outer Glow“ im Kunstverein Junge Kunst in Wolfsburg lässt einen Einblick in Marta Djourinas experimentelle und spielerische Arbeitsweise zu, die von einem technischen und wissenschaftlichen Forschungsdrang geprägt ist. Sie steht ganz im Zeichen einer der Künstlerin eigentümlichen behutsamen Entdeckerlust und zeigt ihren sensiblen und einzigartigen Blick auf das Medium und die Möglichkeiten der Fotografie. 

Kuratiert von Miriam Jesske



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Marta Djourina strolls through the streets of New York, visiting different places at different times of day on several days. In her hand is a small homemade pinhole camera made of cardboard. Her finger rests on the opening and is occasionally lifted to allow the light to enter and thus expose the analogue film. The artist rotates on her own axis, taking in all the impressions around her. In Djourina’s current video work “Frame of Time”, which is being exhibited for the first time at the Verein Junge Kunst in Wolfsburg, these recorded panoramas stretch out. They are testimony to her journey, snapshots of her wandering gaze, which dissolves before the viewer’s eyes – in the vastness of the blurred landscapes or flashing colourful lights as scraps of memory. The human field of vision is defined by a natural limitation, our surroundings can literally only be seen in sections. The speed of the big city, the impatience of a capitalist society and the constant media overstimulation have an enormous influence on the quality of our perception. In this documentary-abstract work, the artist dedicates herself to pausing, standing still and absorbing the moment.

The pinhole camera, consisting of two film spools and a matchbox as the camera body, does not create individual frames, but a flow of impressions. Its reduced function enables an immediacy between the exposure of the photographic film and the immediate surroundings. The panorama captures the all-round view and its movement, whereby the photographs preserve a comprehensible temporality and sequence. Traces of light, movements in the urban space and their own rotation are depicted, as are architecture, trees, people, cars and bicycles. The narrative aesthetic constantly oscillates between documentation and abstraction.

In the ongoing “Sole” series of works, which currently consists of almost 45 unique pieces, Marta Djourina archives the direct influence of sunlight and salt water on analogue, untreated paper intended for b/w processes. The salt from the seawater corrodes the surface, while residues of sand and algae give the works a tactile appearance. It acquires a kind of patina reminiscent of wet and aged copper plates. Abstract light events are created that allow free associations with natural phenomena. For the realisation of “Sole”, she travelled to bodies of water in a wide variety of places. In 2020, she worked on the Bulgarian Black Sea coast. This year, she travelled to New York’s Rockaway Beach in spring.

The exhibition “Outer Glow” at the Kunstverein Junge Kunst in Wolfsburg provides an insight into Marta Djourina’s experimental and playful way of working, which is characterised by a technical and scientific urge to explore. It is characterised by the artist’s characteristic cautious thirst for discovery and shows her sensitive and unique view of the medium and the possibilities of photography.


Curated by Miriam Jesske








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