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AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
AUFGABEN | PAULE HAMMER, DEC 05 - JAN 25, 2020
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PRESS RELEASE
Für seine zweite Einzelausstellung in der Galerie betitelt mit "A Pint of Passion" präsentiert der in Estland geborene Künstler Paul Pretzer zur Malerei erstmals auch sein breites Oeuvre an Grafiken. Dazu zählen die farbigen Papierarbeiten, Zeichnungen, kleine Radierungen und die beeindruckend großen Lithografien, die während seines jüngsten Aufenthalts in der weltbekannten Werkstatt Edition Copenhagen in Dänemark entstanden sind.
Mit seiner Bilderwelt öffnet der Künstler seinem Betrachter eine unbekannte Welt der dritten Art. Vor dem Hintergrund urbaner Mauern und Nischen oder unter einem paradiesisch blauen Firmament kreiert der Künstler aus seiner unerschöpflichen Phantasie chimärenhafte Wesen aus Mensch, Tier, und Alltagsgegenständen.
Seine Protagonisten stehen am Ende einer mehrstufigen Genese, die zuletzt in der Art ihrer Zusammenstellung, situativen Darstellung und Erzählung surreal anmuten. Es gibt szenische Darstellungen wie die eines Skateboarders, der einen auf dem Trottoir liegenden Kopf eines Enthaupteten überspringt. Oder da sind die Porträts wie das eines jungen Mannes mit breiter Brust aus Mauerwerk und einer Kirsche anstelle des Herzens ("Owner of a lonely heart").
So begegnen die Bilder Paul Pretzers sowohl als Dokument wie auch als Erinnerung an das Spiel mit immer neuen Identitäten, sozialen Masken und inflationären Profilen. Sie erzählen dem Betrachter von ihrem Zustand des Selbst. Dabei ist das Ich unter Zeitdruck ... und wird vom Künstler zügig zum nächsten Bild getrieben ...
...................................................
Lieber Paul, erstmals zeigt eine Galerie deine grafischen Arbeiten. Das sind farbige Gouachen und kleine Tuschezeichnungen sowie Druckgrafiken wie Radierungen und die großen Lithografien. Wo und wann entstehen die Arbeiten? Und in welchem Verhältnis siehst du deine Grafik zu deinem Oeuvre der Malerei?
Paul Pretzer: Die Papierarbeiten entstehen oft auf Reisen oder während Artist Residencies, die ich immer wieder mache. Die begrenzte Zeit und die ungewohnten Umstände verlangen nach anderen Arbeitsweisen, und das führt zu neuen Resultaten. Ich finde es erfrischend, ab und an mal das Medium zu ändern.
Die Druckgrafik habe ich seit meiner Studienzeit an der Kunstakademie in Dresden immer auf einem Nebengleis betrieben. Mich interessiert, dass man in der Druckgraphik die Denkweise ändern muss. Gerade bei der Radierung mit Aquatinta muss man sich sehr genau überlegen, was man macht und um drei Ecken denken. Es ist beinahe, als brauchte man dafür andere Teile des Gehirns als beim Malen. Das gefällt mir. Manchmal überschneiden sich die Pfade auch. So übermale ich auch bisweilen eine Lithographie oder Radierung; oder das Motiv eines gemalten Bildes findet Eingang in eine Druckgrafik, weil mich die Übersetzung in Graustufen interessiert.
Woher nimmst Du die Anregungen für Deine Bildmotive? Und hat sich deine Malerei bzgl. deiner Vorlagen seit dem Umzug von Berlin nach Barcelona vor zwei Jahren verändert?
Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, und die Bildmotive kommen dann in der Regel zu mir. Meistens interessiert mich ein Teil von etwas. Sagen wir mal ein Detail aus einem Bild, einer Werbeanzeige o.ä. Oder ich sehe im realen Alltag jemanden mit einem Netz Mandarinen auf der Straße passieren. Alle diese Versatzstücke fließen in meinen inneren Pool und tummeln sich darin solange, bis gewisse Dinge sich miteinander verbinden, um dann eine Bildidee zu ergeben.
Es kann auch etwas ganz Banales sein wie Sardinendosen. Die haben mich hier in Barcelona in jüngster Zeit interessiert. Oder die Horizontlinie des Meeres...Sie taucht neuerdings häufiger auf. Ich fühle mich sehr wohl in Barcelona, aber das Kolorit ist in den zwei Jahren hier etwas düsterer geworden.
Faszinierend aber auch rätselhaft sind die wiederkehrend hybridhaften Wesen in deinen Bildern. Wie kommt es, dass du in deinen Bildern die Projektion einer vermeintlich neuen Spezies entwickelt?
Bei mir folgt der Inhalt der Form. Deshalb entstehen dann manchmal so merkwürdige Gegenstände. Ich gucke mir eine Skulptur von Arp an und denke mir insgeheim: Da müsste jetzt aber mal eine Riffelung hin, und dann wird das ein Rüssel. Auf den Rüssel folgt ein Arm, weil ersterer zwecks Ausbalancierung der Bildkomposition eine Entsprechung braucht usw.. Wenn aktuelle Themen wiederum leise aus der Arbeit herausschwingen und Leute etwas darin sehen können, finde ich das gut...
"A PINT OF PASSION" ... wohin (ent)führt uns der Titel deiner Ausstellung?
Zunächst mal klingt der Ausstellungstitel sprachlich schön rund. Mich interessiert am Ende der Klang, und was die Buchstaben mit dem Mund machen, wenn man es laut sagt, fast mehr als der Inhalt. Dann erzeugen meine Bilder aber auch oft Gefühle und Emotionen beim Betrachter. Sie werden sozusagen zum Resonzraum des Rezipienten. Den kann jedermann/frau mehr oder weniger passioniert mit Eigenem auffüllen... Die (Kunst-)Welt braucht mehr Gefühle und Passion. Es gibt heutzutage zu viel vergeistigte Trockenheit ...
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A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
A PINT OF PASSION | PAUL PRETZER, OCT 26 -NOV 30, 2019
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PRESS RELEASE
„Beauty is a difficult concept“ (Wim Botha)
FeldbuschWiesnerRudolph is pleased to present "Studies for Landscape with Variables", the seventh solo exhibition by the South African sculptor and Venice Biennale (2013) participant Wim Botha.
The new works focus on the artist's masterfully executed sculptures in dark walnut as well as his impressionistic oil paintings on raw cotton with natural pigments next to a series of ink drawings on paper. The landscape paintings form a flaming floral panorama for the full-figure statues and delicate male and female portraits placed throughout the exhibition space.
With their concentrated and contemplative expression, the heads inspire the viewer to look inside and stand in stark contrast to the expansive surfaces of the light canvases with the eruptive gesture of painting similar to that of a „battlefield“. Clusters of Impasto markings are reflected like wounds or relics of flora on the faces. They raise the question of how the dynamic and turbulent events of current events take place equally in time and space and have an effect on our anthropocentric world.
"Beauty is a difficult concept..." - This quotation by Wim Botha expresses the impulse of his artistic work in the dialogue between process, material, colour and form and is illustrated in the central work of the show, an anatomical study of a lifelike wooden figure formulated both functionally and aesthetically. It was created in homage to the French sculptor of Classicism Antoine Houdon (1741-1828) and reflects the urgent questions about the existence of man and his humanoid androids in connection with nature, the sciences and the infinity of the cosmos: How do we shape our future identity and our (human) being in the quest for revelation, knowledge and revelation?
Wim Botha was born in 1974 in Pretoria and lives and works in Cape Town. He graduated from the University of Pretoria in 1996 with a BA in Fine Arts. The artist became known to a wider international audience through his exhibition in the South African country pavilion at the Venice Biennale in 2013. Botha has received a number of prestigious awards, including the Standard Bank Young Artist Award 2005 and the first Tollman Award 2003.
Current solo exhibitions of the artist include Spaced Out at Gut Kerkow (Sept. 2019) and Galerie FeldbuschWiesnerRudolph Berlin (Sept. 2019). 2019) and previously the North Carolina Museum of Art in Raleigh (2019), the Norval Foundation in Cape Town (2018/19), the Galerie Hans Meyer in Düsseldorf (2017), the Fondation Blachère in Apt, France (2016), the Fundação Calouste Gulbenkian, Lisbon/Portugal (2014), the National Arts Festival in Grahamstown (2014), the Kunstraum Innsbruck, Austria (2013) and the Sasol Art Museum, Stellenbosch (2013). Regular exhibitions with Wim Botha present the galleries Stevenson Gallery JoBurg/ Cape Town (since 2005) and FeldbuschWiesnerRudolph Berlin (previously Jette Rudolph, since 2009).
Among the remarkable group exhibitions with Wim Botha are "Sculptures" at the Institute of Contemporary Art Indian Ocean (2018); "The Divine Comedy: ..." at the MMK (Museum für Moderne Kunst), Frankfurt and other venues (2014-5); Lichtspiele at the Museum Biedermann, Donaueschingen (2014); Imaginary Fact: .. the South African Pavilion at the 55th Venice Biennale (2013); "The Rainbow Nation", Museum Beelden aan Zee, The Hague (2012); the Göteborg Biennale, Sweden (2011); "Memories of the Future: The Olbricht Collection", La Maison Rouge, Paris (2011); the 11th Venice Biennale (2013); the "The Rainbow Nation", Museum Beelden aan Zee, The Hague, Sweden (2011); the "Biennale of the Future: The Olbricht Collection", La Maison Rouge, Paris (2011); the 11th Venice Biennale (2011). Triennial for Small Sculpture, Fellbach (2010); "Peekaboo: Aktuelles Südafrika", Tennis Palace Art Museum, Helsinki (2010); "Olvida Quien Soy - Erase me from who I am", Centro Atlantico de Arte Moderno, Las Palmas de Gran Canaria (2006); the Dak'Art 7, the Dakar Biennale (2006) and the travelling exhibition "Africa Remix" (2004-2007) with its stations in the museum kunst palast, Düsseldorf, in the Hayward Gallery, London, in the Centre Georges Pompidou Paris and in the Mori Art Museum, Tokyo.
WORKS OF THE SHOW
WIM NOTHA
Untitled Figure (After Houdon) , 2019
walnut wood, oil paint
110 x 60 x 40 cm
unique
WIM NOTHA
Untitled Figure (After Houdon) , 2019
walnut wood, oil paint
110 x 60 x 40 cm
unique
WIM NOTHA
Untitled (Inwoner VI), 2019
walnut wood, oil paint
height with pedestal:
190 x 20 x 31 cm
unique
WIM NOTHA
Untitled (Inwoner VI), 2019
walnut wood, oil paint
height with pedestal:
190 x 20 x 31 cm
unique
WIM NOTHA
Untitled (Inwoner VI), 2019
walnut wood, oil paint
height with pedestal:
190 x 20 x 31 cm
unique2
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STUDIES FOR LANDSCAPE WITH VARIABLES, WIM BOTHA, SEP 13 -OCT 19, 2019
STUDIES FOR LANDSCAPE WITH VARIABLES, WIM BOTHA, SEP 13 -OCT 19, 2019
STUDIES FOR LANDSCAPE WITH VARIABLES, WIM BOTHA, SEP 13 -OCT 19, 2019
STUDIES FOR LANDSCAPE WITH VARIABLES, WIM BOTHA, SEP 13 -OCT 19, 2019
STUDIES FOR LANDSCAPE WITH VARIABLES, WIM BOTHA, SEP 13 -OCT 19, 2019
STUDIES FOR LANDSCAPE WITH VARIABLES, WIM BOTHA, SEP 13 -OCT 19, 2019
STUDIES FOR LANDSCAPE WITH VARIABLES, WIM BOTHA, SEP 13 -OCT 19, 2019
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INTERVIEW (ENG)
In Leaves of Eden - Leaving Eden, Jenny Michel creates stories of a postanthropocentric age in which the manifold relationships of various forms of existence are renegotiated. The drawings, collages and texts of the exhibition form a system of references that unfolds organically and scans this world in ever new ways. In her enigmatic and poetic drawings, collages, and installations, universes are designed that grow, collapse, and connect into ever new units.
In her fourth solo exhibition at FWR gallery, the artist works with densely laid out, fragile pencil drawings that organically network with collaged pictorial elements. Jenny Michel's work can be read like a rhizome - a subterranean network of roots and at the same time a metaphor of postmodern world description - that allows only a small part of her complex thought world to become visible on the surface.
INTERVIEW
Celina Basra with Jenny Michel
The eternal striving of man for paradise is an ongoing topic in your work. How can we decipher the title of the exhibition Leaves of Eden - Leaving Eden?
The title is a short form of Leaves from the Garden Eden, a Hebrew mythological term based on the topos of medicinal herbs. Leaves of Eden - Leaving Eden could refer to humanity, to the Lost Paradise and the idea of a departure, a journey. The Leaves of Eden could be alternative forms of existence that have escaped Paradise and taken a different evolutionary path - perhaps individual cell communities forming an immortal superorganism. Plants with undreamt-of abilities that combine with technology and inhabit a whole new world - in another dimension or in the future. Leaves of Eden are the smallest building blocks of life in this narrative, which can inform the world again and again, even after its supposed end, and can bring new forms of existence to life again and again. Nature is Data - Data is Nature. This thought runs through my work.
You show new drawings from the Leaves of Eden series, as well as collages from the Exit series. Escape and rescue are the themes of our time. For Exit you combine escape and rescue plans of different buildings - what was your impulse behind this gesture?
The Exit collages are an antithesis to the organic, airy drawings of the Leaves of Eden. Martial in red and black, escape and rescue plans pile up to form architectural structures, interweave to form labyrinthine impenetrable structures or crystalline grids. The works span an arc from the control mania of our society, where everything is thoroughly organized, to escape thoughts and longings for a better world, as they are offered in utopias. In the gallery, these collages also structure the exhibition space like a system of paths.
I'm thinking of a poem by Richard Brautigan, All Watched Over by Machines of Loving Grace, "I like to think (it has to be!) / of a cybernetic ecology / where we are free of our labors / and joined back to nature / returned to our mammal / brothers and sisters / and all watched over / by machines of loving grace.''
The poem has an amazing topicality. In the book I am currently reading, Staying with the trouble - Making Kin in the Chthulucene (2018) by Donna Haraway, related themes are dealt with, such as the confrontation with being human, the kinship of species, and the question of how we can live together in a post-anthropocentric age. I have also studied intensively another text by Richard Brautigan, the utopian novel In Watermelon Sugar (1968), set in a post-apocalyptic world, describes a society that lives in apparent harmony with the outside world, but is disturbing on closer inspection - and is perplexed by the legacies of an earlier civilization (perhaps ours). Elements from this novel - such as the term Forgotten Works - I combine in these new works with my own thoughts and associations.
In addition to these texts, there are two books that are important references for the exhibition: Vampirotheutis Infernalis by Villem Flusser (1987) and Thousand Plateaus by Deleuze/Guattari (1980). Both treatises deal with the basic conditions of our existence and our thinking, with localizations, cartographies and the sovereignty of interpretation over sign systems.
The concept of the rhizome seems to characterize your complete works aptly: You think in different multiplicities and comprehensive contexts. Each individual work and each thought are connected with the others in an infinite number of network lines. Each work seems to be laid out in the other as a seed or ramification.
In addition to the space that my works span - from the drawing sheet to the exhibition space - there is the space of thought in which I move. Both spaces penetrate each other. Deleuzes/Guattari's notion of rhizome plays just as much a role as their thoughts on smooth and notched spaces. I actually understand my work as a kind of rhizome: as an information cosmos whose parts are networked in complex systems and from which "small", visible works come to the surface like mushrooms. Each work can be understood as the condensation core of a potential network of thoughts.
These relationships can be broken up and combined again and again. Everything one sees is the prelude to a larger narrative. The terminology of smooth and notched space goes back to early measurements: previously smooth spaces were staked out by notches and power structures were consolidated. This territorialization of space corresponds to a similar territorialization of thought. The notching becomes a self-evident, quasi-natural representation of the world.
In my works I try to dissolve these (dominant) representations. I approach the topic playfully by categorizing dust, for example, or by writing instructions for filling paradise with dust - or, as in the works shown, by taking various systems of signs and grids to absurdity. The world of Leaves of Eden that I design could be a world of smooth spaces - where everything is connected to everything in a non-hierarchical way.
INTERVIEW (DE)
Jenny Michel entwirft in Leaves of Eden – Leaving Eden Geschichten eines postanthro- pozentrischen Zeitalters, in denen die vielfältigen Beziehungen verschiedenster Existenzformen neu verhandelt werden. Die Zeichnungen, Collagen und Texte der Ausstellung bilden ein System an Verweisen, das sich organisch entfaltet und diese Welt in immer neuer Weise abtastet. In ihren enigmatischen und poetischen Zeichnungen, Collagen und Installationen werden Universen entworfen, die wachsen, kollabieren und sich zu immer wieder neuen Einheiten verbinden.
Für ihre vierte Einzelausstellung in der Galerie arbeitet die Künstlerin mit dicht angelegten fragilen Bleistiftzeichnungen, die sich organisch mit collagierten Bildelementen vernetzen.
Jenny Michels Werk lässt sich lesen wie ein Rhizom – ein unterirdisches Wurzelgeflecht und zugleich Metapher postmoderner Weltbeschreibung –, das nur einen kleinen Teil ihrer Gedankenwelt an der Oberfläche sichtbar werden lässt.
INTERVIEW
Celina Basra im Gespräch mit Jenny Michel
Das ewige Streben des Menschen nach dem Paradies beschäftigt Dich in Deiner Arbeit kontinuierlich. Was steckt hinter dem Titel der Ausstellung "Leaves of Eden - Leaving Eden"?
Der Titel ist eine Kurzform von Leaves from the Garden Eden, ein Begriff aus der hebräischen Mythologie, der auf dem Topos der heilbringenden Kräuter beruht. Leaves of Eden – Leaving Eden könnte auf die Menschheit verweisen, auf das Verlorene Paradies und die Idee eines Aufbruchs, einer Reise. Die Leaves of Eden könnten alternative Existenzformen sein, die dem Paradies entflohen sind und einen anderen evolutorischen Weg eingeschlagen haben – vielleicht individuelle Zellgemeinschaften, die einen unsterblichen Überorganismus bilden. Pflanzen mit ungeahnten Fähigkeiten, die sich mit Technologien verbinden und eine völlig neue Welt bewohnen – in einer anderen Dimension oder in der Zukunft. Leaves of Eden sind in dieser Erzählung kleinste Bausteine des Lebens, die die Welt, selbst nach ihrem vermeintlichen Ende, immer wieder neu informieren, und immer wieder neue Existenzformen ins Leben rufen können. Nature is Data – Data is Nature. Dieser Gedanke zieht sich durch meine Arbeiten.
Du zeigst neue Zeichnungen der Leaves of Eden Serie, sowie Collagen der Exit-Werkreihe. Flucht und Rettung sind die Themen unserer Zeit. Für Exit verbindest Du Flucht- und Rettungspläne verschiedener Gebäude – was war Dein Impuls hinter dieser Geste?
Die Exit-Collagen sind einen Gegenpol zu den organisch anmutenden, luftigen Zeichnungen der Leaves of Eden. Martialisch in Rot und Schwarz gehalten, türmen sich Flucht- und Rettungspläne zu architektonischen Gebilden, verweben sich zu labyrinthisch-undurchdringlichen Strukturen oder zu kristallinen Rastern. Die Arbeiten spannen einen Bogen vom Kontrollwahn unserer Gesellschaft, wo alles durchorganisiert ist, zu Fluchtgedanken und Sehnsüchten nach einer besseren Welt, wie sie in Utopien geboten werden. In der Galerie strukturieren diese Collagen zudem den Ausstellungsraum wie ein Wegesystem.
Ich denke bei Deinen Arbeiten an ein Gedicht von Richard Brautigan, All Watched Over by Machines of Loving Grace: "I like to think (it has to be!) / of a cybernetic ecology / where we are free of our labors / and joined back to nature / returned to our mammal / brothers and sisters / and all watched over / by machines of loving grace."
Das Gedicht hat eine erstaunliche Aktualität. In dem Buch, das ich zur Zeit lese, Staying with the trouble - Making Kin in the Chthulucene (2018) von Donna Haraway, werden verwandte Thematiken verhandelt wie etwa die Auseinandersetzung mit dem Mensch-Sein, die Verwandtschaft der Arten und die Frage, wie wir in einem postanthropozentrischen Zeitalter miteinander leben können. Ich habe mich auch intensiv mit einem anderen Text von Richard Brautigan beschäftigt, dem utopischen Roman In Watermelon Sugar (1968), angesiedelt in einer postapokalyptischen Welt, wird eine Gesellschaft beschrieben, die nach außen hin in scheinbarer Harmonie lebt, jedoch beim näheren Hinsehen verstörend wirkt – und die den Hinterlassenschaften einer früheren Zivilisation (eventuell der unseren) ratlos gegenübersteht. Elemente aus diesem Roman – wie den Begriff der Forgotten Works – verbinde ich in meinen Werken mit eigenen Gedanken und Assoziationen.
Neben diesen Texten gibt es zwei Bücher, die wichtige Bezüge für die Ausstellung sind: Vampirotheutis Infernalis von Villem Flusser (1987) und Tausend Plateaus von Deleuze/Guattari (1980). Beide Abhandlungen beschäftigen sich mit den Rahmenbedingungen unserer Existenz und unseres Denkens, mit Verortungen, Kartographierungen und der Deutungshoheit über Zeichensysteme.
Der Begriff des Rhizom scheint Dein Gesamtwerk treffend zu charakterisieren: Du denkst in differenten Vielheiten und umfassenden Zusammenhängen. Jede einzelne Arbeit und jeder Gedanke sind in unendlich vielen Vernetzungslinien mit den anderen verbunden. Jedes Werk scheint im anderen als Samen oder Verästelung angelegt.
Neben dem Raum, den meine Arbeiten aufspannen – vom Zeichenblatt bis hin zum Ausstellungsraum – existiert der Denkraum, in dem ich mich bewege. Beide Räume durchdringen sich. Deleuzes/Guattaris Rhizom-Begriff spielt dabei ebenso eine Rolle wie ihre Gedanken zu Glatten und Gekerbten Räumen.
Ich verstehe meine Arbeit tatsächlich als eine Art Rhizom: als ein Informationskosmos, dessen Teile in komplexen Systemen miteinander vernetzt sind und von dem aus „kleine“, sichtbare Arbeiten wie Pilze an die Oberfläche kommen. Jede Arbeit kann dabei als Kondensationskern eines potentiellen Gedankengeflechts verstanden werden. Diese Beziehungen können immer wieder aufgebrochen und neu kombiniert werden. Alles was man sieht, ist Auftakt zu einer größeren Erzählung.
Die Terminologie des Glatten und Gekerbten Raums geht auf frühe Vermessungen zurück: durch Kerbungen wurden vormals Glatte Räume abgesteckt und Machtstrukturen verfestigt. Diese Territorialisierung des Raumes entspricht einer ähnlichen Territorialisierung des Denkens. Die Kerbung wird zur selbstverständlichen, quasi-natürlichen Repräsentation der Welt. In meinen Arbeiten versuche ich, diese (dominanten) Repräsentationen aufzulösen.
Ich nähere mich der Thematik spielerisch an, indem ich etwa Staub kategorisiere, eine Anleitung zum Zumüllen des Paradieses verfasse – oder, wie auch in den gezeigten Arbeiten, verschiedene Zeichen- und Rastersysteme ad absurdum führe. Die Welt der Leaves of Eden, die ich entwerfe, könnte eine Welt der Glatten Räume sein – wo alles mit allem in nicht-hierarchischer Weise verbunden ist.
WORKS OF THE SHOW
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LEAVES OF EDEN - LEAVING EDEN, JENNY MICHEL, AUG 09 - SEP 07, 2019
LEAVES OF EDEN - LEAVING EDEN, JENNY MICHEL, AUG 09 - SEP 07, 2019
LEAVES OF EDEN - LEAVING EDEN, JENNY MICHEL, AUG 09 - SEP 07, 2019
LEAVES OF EDEN - LEAVING EDEN, JENNY MICHEL, AUG 09 - SEP 07, 2019,
LEAVES OF EDEN - LEAVING EDEN, JENNY MICHEL, AUG 09 - SEP 07, 2019
LEAVES OF EDEN - LEAVING EDEN, JENNY MICHEL, AUG 09 - SEP 07, 2019
LEAVES OF EDEN - LEAVING EDEN, JENNY MICHEL, AUG 09 - SEP 07, 2019
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THE OBJECT REMAINS
SARA-LENA MAIERHOFER
JUN 07 - JUL 13, 2019
INTERVIEW (ENG)
THE OBJECT IS ALWAYS PRESENT
An interview with Sara-Lena Maierhofer
in preparation of the exhibition
„THE OBJECT REMAINS“
Interview: Celina Basra
Did you never see a statue dance?
René Poundé – im Kontext der Debatte um die Restitution des Throns von Bamun, Kamerun
Decolonization, restitution, memory, photography as an instrument of power and liberation - the artist Sara-Lena Maierhofer‘s new series of works „Cabinets“ (photographic sculptures) moves in these thematic fields. The works are the result of her research on non-European cultural assets in ethnological collections in Germany and Europe. At the beginning of her working process was the liberating realization that photography does not have to be a surface. And the conviction that we must constantly rethink history.
CB: What is the impulse behind your new works, the cabinets?
SLM: The photographs I work with show selected objects from former German colonial areas with strong ritual or memorial significance, such as the portrait of a ruler from the Prussian Cultural Heritage Foundation (Humboldt Forum) or the skull mask of the Tolai from New Britain. In a way, they are photographic evidence of our colonial rage to collect. It is about acknowledging facts and narratives of our colonial past that have not been heard before. That was my first intention: to bring together the non-European objects and the spaces in which they are exhibited. On the one hand, there is the White Cube of the museum. And then there are the collection objects, which often only rarely leave the depot. About 80% or 90% of the objects never see the light of the exhibition, but are permanently stored in a kind of storage outside the city.
I had thoughts like: do the objects perhaps speak? Do they exchange ideas on the shelves and drawers? Do they dream? Are they homesick? That‘s just the way it‘s spun. But this thought eventually led to the works.
How did your work process begin?
First I visited archives and depots of ethnological museums. I was particularly interested in the photographic collections - I finally used individual photographs of artworks and objects for the cabinets. The cabinets are photographic sculptures. The basic form is determined by the floor plans of the museum rooms in which the objects are exhibited. They are made of individual Plexiglas elements in a digital process - I have oriented myself to architectural models. Then I prime them with a varnish, coat every single side of the small parts with photo emulsion, put them together in the dark and expose them with an object from the corresponding collection. In this way, the entire cabinet becomes photographic paper. You can see the brushstroke from the application of the emulsion - gelatine with silver halides, a very classic analogue process. I need several weeks for a work, a labor-intensive process.
The Humboldt Forum invites people to find out out how things in our world are related to one another, discovering the strange in the familiar and the familiar in the strange.“ How do you see the current handling of cultural objects and artworks from non-European countries?
The French art historian Bénédicte Savoy sums up the problem wonderfully and comprehensibly - she describes how unfair it is for children to go to museums here and experience the wealth of global cultural assets. But a child in Namibia doesn‘t see it, it‘s so simple. 90% of Africa‘s art is located outside the continent - an incredibly rich and complex cultural asset that is missing there. We can go to a museum in Berlin at any time and experience a great world narrative. So it‘s easy to see yourself represented in history, to place yourself in a position, to think possibilities. A huge space for inspiration and remembrance, which we claim for ourselves. This fact cannot be swept under the carpet. This is an imbalance that cannot be immediately compensated - but which should at least be conveyed and its historical connections made visible.
There are many irregularities and breaks in collection stories that are not visible in the rhetoric of their displays. By placing the objects in your works in the room, in the floor plan, they are inscribed in it - and almost locked up. At the same time, shadows, fragments and breaks become visible. In the contemplation, almost cubistic images emerge.
That really interests me a lot: the influences that non-European works of art had on European modernism at the time. Picasso went to the Musée du Trocadéro and was enthusiastic about the masks from various African countries. He returned to his studio and began to rethink space and figure with these impulses. In this way, these works of art have greatly broadened the visual and formal horizons and imagination of European art history. This is exciting and important. What an influence this art has had, which is often said to be only handicraft. The shadows and walls created during the process make the photographic objects appear slightly fragmented, creating links to Cubist works such as Les Demoiselles d‘Avignon (Picasso, 1907).
Is there a collection for you that deals well with this topic, that communicates in an exemplary way, works up, acts?
The Ethnological Collections are well aware of the problem. Chris Dercon once said in an interview that for him the most interesting processes are currently taking place in ethnographic museums. Because these current debates of decolonization must feel and reflect most clearly. The discussion about the Humboldt Forum in Berlin is a mirror of our society, which is currently negotiating in various fields, what image it is creating of itself and what culture of remembrance it wants. The museum as a place of identity politics: Who are we and who do we want to be
What role do the photograms that you show together with the cabinets play in the narrative of your work?
I actually had the idea: I would go to the depots and put photo paper behind the shelves. Everyone was horrified (laughs). That was the reason why I built the whole thing in the color lab. For a photogram, for example, I used photographic studies to reconstruct a shelf with headrests from Mozambique from the depot of the World Cultures Museum in Frankfurt using clay and styrofoam. Then I attach a large sheet of photo paper behind this shelf and expose it from the front with flashes and color foils. So only the shadows of the objects are visible.
Thus you question the documentary quality of photography again. As a viewer, I am sure the models are real. These little ‚traps‘ are known from your work
A little detour (laughs).
The photogram of bracelets with their small labels almost seems like a collection of circumstantial evidence. A crime scene.
To a certain extent, the works are also: photographic evidence of the German rage to collect. The attempt to understand other cultures through their objects. This is what a hammer looks like that they use, this is what a water bowl looks like. Now I know how this group thinks and acts. An outdated idea.
Interestingly, objects in ethnological collections in the past were not dated with their date of birth, but with their date of entry into the collection. Not the fact when they were made was important, but when we received them. In this context, the concept of disinfestation, a cleaning process applied to objects transferred to a museum, is also exciting. When such a ritual object comes into the collection and then it is sprayed with pesticides, what happens then? Something has been created, that‘s what it is.
Which works do you show in the gallery - and what about the cabinets?
In the gallery I show works that have been created in confrontation with the collections of the ethnological museums in Berlin, Frankfurt, Cologne, Hanover and Leipzig as well as the AfricaMuseum in Tervuren near Brussels. In summer I would like to work with the Musée du quai Branly in Paris and the Museum der Kulturen in Basel. The format will develop further. For the future, for example, I find it exciting to take a closer look at how the photographic evidence of our colonial past gradually disappears - the aging process of negatives, for example, the slow decay of evidence.
INTERVIEW (DE)
THE OBJECT IS ALWAYS PRESENT
Ein Interview mit Sara-Lena Maierhofer
in Vorbereitung der Ausstellung
"THE OBJECT REMAINS"
Interview: Celina Basra
Did you never see a statue dance?
René Poundé – im Kontext der Debatte um die Restitution des Throns von Bamun, Kamerun
Dekolonisierung, Restitution, Erinnerung, Fotografie als Instrument der Macht und Befreiung – in diesen Themenfeldern bewegt sich die Künstlerin Sara-Lena Maierhofer mit ihrer neuen Werkreihe "Kabinette" (fotografische Skulpturen). Die Werke entstanden aus ihrer Recherche zu aussereuropäischen Kulturgütern in ethnologischen Sammlungen in Deutschland und Europa. Am Anfang ihres Arbeitsprozesses stand die befreiende Erkenntnis: Fotografie muss keine Fläche sein. Und die Überzeugung, dass wir Geschichte immer wieder neu denken müssen.
CB: Was ist der Impuls hinter Deinen neuen Arbeiten, den Kabinetten?
SLM: Die Fotografien, mit denen ich arbeite, zeigen ausgewählte Objekte aus ehemaligen deutschen Kolonialgebieten mit starker ritueller oder erinnerungsstarker Bedeutung, wie das Herrscherbildnis aus der Stiftung Preussischer Kulturbesitz (Humboldt Forum) oder die Schädelmaske der Tolai aus Neubritannien. In gewisser Weise sind sie fotografische Beweise unserer kolonialen Sammlungswut. Es geht um das Anerkennen von Fakten und um Narrative unserer kolonialen Vergangenheit, die bisher nicht gehört wurden. Das war meine erste Intention: die außereuropäischen Objekte und die Räume in denen sie ausgestellt werden, zusammenzubringen. Zum einen ist da der White Cube des Museums. Und dann die Sammlungsgegenstände, die oftmals nur selten das Depot verlassen. Etwa 80% oder 90% der Objekte sehen nie das Licht der Ausstellung, sondern lagern permanent in einer Art Storage außerhalb der Stadt.
Dabei hatte ich Gedanken wie: sprechen die Objekte vielleicht? Tauschen sie sich aus in den Regalen und Schubladen? Träumen sie? Haben sie Heimweh? Das ist nur so dahin gesponnen. Aber dieser Gedanke hat schließlich zu den Arbeiten geführt.
Wie begann Dein Arbeitsprozess?
Zunächst habe ich Archive und Depots ethnologischer Museen besucht. Besonders die fotografischen Sammlungen haben mich interessiert – einzelne Fotografien von Kunstwerken und Objekten habe ich schliesslich für die Kabinette verwendet. Die Kabinette sind fotografische Skulpturen. Die Grundform bilden die baulichen Grundrisse der musealen Räume, in denen die Objekte ausgestellt werden. Gefertigt werden sie aus einzelnen Plexiglas-Elementen, in einem digitalen Verfahren – ich habe mich an Architekturmodellen orientiert. Dann grundiere ich sie mit einem Lack, bestreiche jede einzelne Seite der kleinen Teile mit Fotoemulsion, setze sie im Dunkeln zusammen und belichte sie mit einem Objekt der entsprechenden Sammlung. Das ganze Kabinett wird auf diese Weise zum Fotopapier. Man sieht den Pinselstrich vom Auftrag der Emulsion – Gelatine mit Silberhalogeniden, ein ganz klassisches analoges Verfahren. Ich brauche für eine Arbeit mehrere Wochen, ein arbeitsintensiver Prozess.
Folgender Satz findet sich auf der Website des Humboldt Forums: “The Humboldt Forum invites people to find out how things in our world are related to one another, discovering the strange in the familiar and the familiar in the strange.” Wie siehst Du den gegenwärtigen Umgang mit Kulturobjekten und Kunstwerken aus außereuropäischen Ländern?
Die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy fasst die Problematik wunderbar und verständlich zusammen – sie beschreibt, wie ungerecht es ist, dass Kinder hier ins Museum gehen und den Reichtum globaler Kulturgüter erleben können. Aber ein Kind in Namibia sieht das nicht, so simpel ist das. 90% der Kunst Afrikas befindet sich ausserhalb des Kontinents – ein unglaublich reiches und komplexes Kulturgut, das dort fehlt. Wir können in Berlin jederzeit ins Museum gehen und eine grosse Welterzählung erleben. So ist es leicht, sich in der Geschichte repräsentiert zu sehen, sich einzuordnen, Möglichkeiten zu denken. Ein riesiger Raum für Inspiration und Erinnerung und den nehmen wir für uns in Anspruch. Diesen Sachverhalt kann man nicht unter den Teppich kehren. Ein Ungleichgewicht, das man nicht sofort ausgleichen kann – das aber zumindest vermittelt und dessen historische Zusammenhänge sichtbar gemacht werden sollten.
Es gibt viele Unregelmässigkeiten und Brüche in Sammlungsgeschichten, die nicht in der Rhetorik ihrer Displays sichtbar werden. Indem die Objekte in Deinen Arbeiten in den Raum, in den Grundriss, gesetzt werden, sind sie in diesen eingeschrieben – und fast auch eingesperrt. Gleichzeitig werden Schatten, Fragmente und Brüche sichtbar. In der Betrachtung entstehen beinahe kubistische Bilder.
Das interessiert mich tatsächlich sehr: die Einflüsse, die außereuropäische Kunstwerke damals auf die europäische Moderne hatten. Picasso ist in das Musée du Trocadéro gegangen und war begeistert von den Masken aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Er ist in sein Atelier zurück und hat mit diesen Impulsen begonnen, Raum und Figur neu denken. So haben diese Kunstwerke den visuellen und formalen Horizont und die Vorstellungskraft der europäischen Kunstgeschichte enorm erweitert. Das ist spannend und wichtig. Was für einen Einfluss diese Kunst hatte, von der oft gesagt wird, das ist nur Kunsthandwerk. Durch die im Prozess entstehenden Schatten und Wände erscheinen die fotografischen Objekte leicht fragmentiert; es entstehen Querverbindungen zu Werken des Kubismus, zum Beispiel den Les Demoiselles d’Avignon (Picasso, 1907).
Gibt es für Dich eine Sammlung, die gut mit diesem Thema umgeht, die vorbildlich kommuniziert, aufarbeitet, handelt?
Die Ethnologischen Sammlungen sind sich des Problems durchaus bewusst. Aber in musealen Strukturen kommen viele Interessen zusammen. Chris Dercon hat einmal in einem Interview gesagt, dass für ihn die interessantesten Prozesse aktuell in den Ethnographischen Museen passieren. Weil diese aktuelle Debatten der Dekolonialisierung am deutlichsten spüren und reflektieren müssen. Die Diskussion um das Berliner Humboldt Forum ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, die gerade auf verschiedenen Feldern verhandelt, welches Selbstbild sie von sich selbst entwirft und welche Erinnerungskultur sie haben will. Das Museum als Ort der Identitätspolitik: Wer sind wir und wer wollen wir sein?
Welche Rolle spielen die Fotogramme, die Du gemeinsam mit den Kabinetten zeigst, für das Narrativ Deiner Arbeit?
Ich hatte eigentlich die Vorstellung: ich gehe in die Depots und klemme Fotopapier hinter die Regale. Da waren alle entsetzt (lacht). Das war der Grund, weshalb ich das Ganze im Farblabor nachgebaut habe. Für ein Fotogramm habe ich zum Beispiel anhand fotografischer Studien ein Regal mit Kopfstützen aus Mosambik aus dem Depot des Weltkulturen Museums in Frankfurt mithilfe von Ton und Styropor nachgebaut. Danach befestige ich hinter dieses Regal eine große Bahn Fotopapier und belichte es von vorne mit Blitzen und Farbfolien. So sind nur noch die Schatten der Objekte sichtbar.
So stellst Du wieder die dokumentarische Qualität von Fotografie in Frage. Als Betrachter*in bin ich mir sicher, die Modelle sind echt. Diese kleinen ‚Fallen‘ kennt man aus Deiner Arbeit.
Ein kleiner Umweg (lacht).
Das Fotogramm von Armreifen mit ihren kleinen Labels wirkt beinahe wie eine Sammlung von Indizien. Ein Tatort.
Das sind die Arbeiten in gewisser Weise auch: fotografische Beweise der deutschen Sammlungswut. Der Versuch, andere Kulturen über ihre Objekte zu verstehen. So sieht ein Hammer aus, den sie benutzen, so eine Wasserschale. Jetzt weiss ich, wie diese Gruppe denkt und handelt. Eine überholte Vorstellung.
Objekte in Ethnologischen Sammlungen wurden in der Vergangenheit interessanterweise nicht mit ihrem Geburtsdatum datiert, sondern dem Eingangsdatum in die Sammlung. Nicht die Tatsache, wann sie hergestellt wurden, war wichtig, sondern, wann wir sie erhalten haben. In diesem Kontext ist auch der Begriff der Entwesung spannend, ein Reinigungsprozess der bei Objekten angewendet wurde, die in ein Museum überführt wurden. Wenn so ein rituelles Objekt in die Sammlung kommt, und dann wird er mit Pestiziden besprüht, was passiert dann? Etwas ent-wesen, das trifft es.
Welche Arbeiten zeigst Du in der Galerie – und wie geht es mit den Kabinetten weiter?
In der Galerie zeige ich Arbeiten, die in Auseinandersetzung mit den Sammlungen der ethnologischen Museen in Berlin, Frankfurt, Köln, Hannover und Leipzig entstanden sowie des AfricaMuseums in Tervuren bei Brüssel. Im Sommer möchte ich mit dem Musée du quai Branly in Paris und dem Museum der Kulturen in Basel arbeiten. Das Format wird sich weiterentwickeln. Für die Zukunft finde ich es zum Beispiel spannend, genauer zu betrachten, wie die fotografischen Beweise unserer kolonialen Vergangenheit allmählich verschwinden – der Alterungsprozess von Negativen zum Beispiel, der langsame Verfall von Beweisen.
WORKS OF THE SHOW
SARA-LENA MAIERHOFER
Shelf (World Cultures Museum, Frankfurt), 2019
Photogram consisting of several parts
240 x 130 cm
unframed
SARA-LENA MAIERHOFER
Shelf (World Cultures Museum, Frankfurt), 2019
Photogram consisting of several parts
240 x 130 cm
unframed
SARA-LENA MAIERHOFER
Shelf (Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln) , 2019
Photogram consisting of several parts
250 x 215 cm
unframed
SARA-LENA MAIERHOFER
Shelf (Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln) , 2019
Photogram consisting of several parts
250 x 215 cm
unframed
SARA-LENA MAIERHOFER
Königliches Museum für Zentralafrika, Tervuren (BE), 2019
Photo emulsion on Plexiglas
95 x 60 x 5 cm
SARA-LENA MAIERHOFER
Königliches Museum für Zentralafrika, Tervuren (BE), 2019
Photo emulsion on Plexiglas
95 x 60 x 5 cm
SARA-LENA MAIERHOFER
Niedersächsische Landesmuseum, Hannover , 2019
Photo emulsion on Plexiglas
95 x 60 x 5 cm
SARA-LENA MAIERHOFER
Niedersächsische Landesmuseum, Hannover , 2019
Photo emulsion on Plexiglas
95 x 60 x 5 cm
SARA-LENA MAIERHOFER
Grassi Museum für Völkerkunde, Leipzig, 2019
Fotoemulsion auf Plexiglas
98 x 44 x 4 cm
SARA-LENA MAIERHOFER
Humboldt Forum, Berlin, 2019
Fotoemulsion auf Plexiglas
110 x 71 x 5 cm
SARA-LENA MAIERHOFER
Rautenstrauch-Joest-Museum, Cologne, 2019
Photo emulsion on Plexiglas
98 x 57 x 5 cm
SARA-LENA MAIERHOFER
World Cultures Museum, Frankfurt, 2019
Photo emulsion on Plexiglas
80 x 47 x 4 cm
INSTALLATION VIEWS
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SARA-LENA MAIERHOFER " OBJECT REMAINS ", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
SARA-LENA MAIERHOFER " OBJECT REMAINS ", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
SARA-LENA MAIERHOFER " OBJECT REMAINS ", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
SARA-LENA MAIERHOFER " OBJECT REMAINS ", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
SARA-LENA MAIERHOFER " OBJECT REMAINS ", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
SARA-LENA MAIERHOFER " OBJECT REMAINS ", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
SARA-LENA MAIERHOFER " OBJECT REMAINS ", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
6 - 7
INTERVIEW | ( FERDINAND HEINZ BUDE )
ICH HABE MICH AUSSCHLIEßLICH
VON THÜRINGER ROSTBRÄTL ERNÄHRT
Ein Interview mit Jana Gunstheimer über ihre neue Arbeit
“moelk“ und die Gründung von IRRE@bauhaus
Die in Jena lebende Künstlerin Jana Gunstheimer (*1974, Zwickau) arbeitet vorwiegend im Medium der Zeichnung, die installativ oder medial erweitert präsentiert werden. Von 1993 bis 1998 studierte sie Ethnologie und Kunstgeschichte in Leipzig, von 1997 bis 2003 Malerei und Grafik an der Burg Giebichenstein in Halle. Seit 2016 ist sie Professorin für experimentelle Malerei und Zeichnung an der Bauhaus-Universität in Weimar, an der sie soeben IRRE@bauhaus gegründet hat, ein Institut für Regionale Realitätsexperimente. Hier haben wir uns im April 2019 getroffen, um über ihre Ideen zum Institut und ihre aktuelle Arbeit „moelk. Von der guten Absicht“ zu sprechen.
B: Als Du mir davon erzähltest, dass Du IRRE@bauhaus gründen möchtest, fühlte ich mich an NOVA PORTA, die Organisation zur Bewältigung von Risiken erinnert, eine Deiner ersten Arbeiten, in der eine komplexe Welt entworfen wird, in der Protagonisten als POAs, Personen ohne Aufgabe agieren. Wo liegen die Parallelen zwischen diesen beiden Institutionen?
JG: Mit NOVA PORTA hatte ich in den Jahren nach der Jahrtausendwende begonnen, es war eine fiktiv angelegte Organisation, die nach und nach immer realer wurde aus dem einfachen Grund, dass die Leute den fiktionalen Charakter nicht erkannt haben und NOVA PORTA beitraten. Die Organisation richtete sich an vorwiegend junge Leute, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wussten und die mithilfe von „Maßnahmen“ wieder in die Gesellschaft integriert werden sollten. NOVA PORTA kann man sich als Mischung aus Arbeitsamt und Scientology vorstellen und das schien tatsächlich viele Leute anzusprechen, die sich auf das Spiel einlassen wollten. Ich hatte also wie in einer „normalen“ Organisation Mitglieder, die beschäftigt werden wollten, gewisse Erwartungen an die Organisation hatten und mitdiskutieren wollten. Ich bin allerdings eine Verfechterin von diktatorischen Entscheidungen in der Kunst (lacht) und ich war immer bestrebt, eine Form zu erschaffen, die zwischen den Wirklichkeiten liegt.
Was mich an NOVA PORTA gereizt hat, war der Rahmen, in dem ich mich bewegen konnte und der es mir ermöglichte, bestimmte ganz unterschiedliche Rollen im Kosmos von NOVA PORTA einzunehmen. Ich konnte sowohl als Initiatorin von anthropologischen Untersuchungen wie auch als deren Teilnehmerin auftreten, als Beobachtende oder Beobachtete, und in der Zusammensetzung dieser verschiedenen Wahrnehmungs- und Erzählmuster ergab sich für mich die Möglichkeit, multiperspektivische Welten zu erschaffen.
B: Wie würdest Du die Arbeitsweise von IRRE@bauhaus umreißen? Ist der Name hier Programm?
JG: Bei der Gründung des Instituts an der Bauhaus-Uni geht es um ähnliches: wie kann ich als KünstlerIn so arbeiten, dass ich mir einen eigenen Kosmos schaffe: meine eigenen Arbeitsmethoden, Kommunikationsformen, Ästhetiken etc. Ich verstehe das Institut als ein Gefäß, dessen Form und Funktion von den Beteiligten erst definiert wird. Und dieses Gefäß sieht immer anders aus, je nachdem, aus welcher Position und mit welcher Konditionierung man darauf schaut. Über das Institut und darüber, was wir dort tun, werden Dinge behauptet, die für sich genommen schlüssig sind, die aber kein geschlossenes Bild ergeben. Für jeden der am Institut arbeitenden scheint es etwas anderes zu sein, eine eigene Realität, die zur Realität der anderen nicht zu passen scheint. Wir haben hier also keine starren hierarchischen Strukturen, wie das bei NOVA PORTA der Fall war, sondern ein amorphes fluides Gebilde, das von allen Beteiligten definiert wird.
Bei der Namensfindung ging es uns einerseits darum, einen Kontrapunkt zum Bauhaus zu setzen, unter dessen Dach wir uns befinden. Ich finde sehr interessant, dass in der aktuellen Diskussion des Bauhauses immer wieder schon fast verzweifelt nach Visionen für unsere Zeit gerufen wird. Diese Sehnsucht nach einem radikalen Bruch, den man in die Gründungszeit hineininterpretiert, und die Suche nach Parallelen im heute ist ein spannendes Arbeitsfeld für uns.
Das IRRE im Namen ist die Abkürzung für Institut für Regionale Realitätsexperimente, eine Bezeichnung, die sich niemand wird merken können (lacht). IRRE allerdings schon…
B: Im Namen steckt zum einen das Regionale, die Beschäftigung mit der unmittelbaren Umgebung, zum anderen Realitätsexperimente. Was ist damit gemeint?
JG: Wir beschäftigen uns mit allem, was schiefgeht und was besser laufen könnte. Oder was zu gut läuft, aber in die falsche Richtung. Ganz konkret kann man sich das so vorstellen: wir inszenieren im ländlichen Raum mögliche Zukunftsszenarien und erproben in ihnen u.a. verändertes Sozialverhalten.
Ich hatte, nachdem ich mich in den letzten Jahren eher der selbstreflexiven künstlerischen Arbeit gewidmet habe, das Gefühl, dass es jetzt an der Zeit ist, mich wieder mehr mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Und zwar mit einer Gesellschaft, die nicht nur aus einer Kunst sammelnden Elite besteht, sondern auch aus kunstfernen Teilen der Bevölkerung. Ich halte nichts von sozialpädagogischen Ansätzen in der Kunst, ich möchte auch nichts verbessern. Aber ich glaube, dass es eine Form künstlerischer Arbeit gibt, die eine ähnliche Suggestionskraft entwickeln kann wie die Literatur. Dabei ist es mir auch wichtig, eine Arbeitsform zu entwickeln, an der andere teilhaben können. Und das nicht nur als Protagonisten meiner Erzählungen, sondern indem sie mit ihrem Verhalten und ihren Reaktionen den Verlauf der Erzählung beeinflussen können.
Dabei arbeiten wir am Institut mit künstlerischen Methoden, die man unter natur- oder geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkten als unorthodox bezeichnen könnte. Uns interessieren Themen der Sozialanthropologie: neue Arbeitsformen, politische Umgruppierungen, überhaupt: das Zusammenleben von Individuen in der Gesellschaft, ihre Organisation, ihre Werte, Normen, Bräuche, die ständigen Veränderungen unterworfen sind. Vielleicht kann man es so zusammenfassen: wir betreiben Symptomforschung an der Gesellschaft. Das machen wir aber nicht als Soziologen, sondern als KünstlerInnen mit unseren ganz eigenen Methoden.
B: Wie würdest Du künstlerische Methoden von denen der Wissenschaft unterscheiden?
JG: Übertreibung, Verkehrung ins Gegenteil, Kombination von gegensätzlichen Arbeitsweisen sind Mittel der Kunst. Ebenso wie Inszenierung, absurde Wendungen, gefühltes Wissen oder die Vermischung von Realität und Fiktion. Durch den Einsatz all dieser Mittel kann ich Atmosphären erzeugen, die der Realität oft näherkommen als blanker Realismus. Ich nehme leider wahr, dass sich die Kunst immer mehr der Wissenschaft annähert und deren Arbeitsmethoden übernimmt. Ich bezweifle aber, dass Wissensproduktion und Erkenntnisgewinn nur ein Privileg der Wissenschaft sein kann.
B: In Deiner neuen künstlerischen Werkgruppe „moelk“ konstruierst und zugleich dokumentierst Du die Idee einer Bewegung, fast möchte man sagen einer Glaubensgemeinschaft, die sich für das besagte neue Milchprodukt „moelk“ einsetzt. Kannst Du das etwas näher erläutern?
JG: Zu moelk gibt es folgendes zu sagen: Ich wollte etwas über einen Stoff oder eine Substanz machen, zu dem alle eine Meinung oder eine Haltung haben und Milch fand ich in diesem Zusammenhang extrem interessant. Milch ist scheinbar in der Lage, die Gesellschaft zu spalten in Milchtrinker und Milchverweigerer, sie kann sowohl Begeisterung als auch Aversionen hervorzurufen. Es gibt ethische Gründe für den Milchverzicht, Laktoseintoleranz, es gibt eine ganze Industrie, die Ersatzprodukte herstellt. Und es gibt Bewegungen, die das Trinken von Milch als der „arischen Rasse“ vorbehaltene Handlung deklarieren und solche, die dagegen demonstrieren. Und nicht zu vergessen: Milch fördert das Wachstum.
B: Ist Moelk nur eine andere Bezeichnung für Milch oder hat es noch andere Qualitäten?
JG: Moelk ist ein Produkt, das entwickelt wurde, um zwei Probleme gleichzeitig anzugehen: den einbrechenden Umsätzen der Milchindustrie entgegenzuwirken sowie ein Mittel gegen die gesellschaftliche Spaltung, die überall thematisiert wird zu entwickeln. Das eine hat mit dem anderen nicht das Geringste zu tun und genau das ist es, was es interessant für mich macht. Es gibt hier also einen Stoff, den man als den Stoff der Zukunft bezeichnen könnte, der laut Aussage der Entwickler wahre Wunderwerke zu verrichten in der Lage ist. Mit diesem Stoff bin ich in den letzten Monaten in Südthüringen unterwegs gewesen, um ihn und seine Wirksamkeit zu testen.
B: Du erzählst, dass Du übers Land gefahren bist, um moelk bekannt zu machen bzw. zu testen. Welche Erfahrungen hast Du dabei gemacht? Und wie sind diese in Deine Arbeit eingeflossen?
JG: Ich kam mir dabei manchmal vor wie „Herr Wichmann von der CDU“ (lacht). Ich hatte im Vorfeld Treffen vereinbart, bei denen möglichst viele Teilnehmer anwesend sein sollten, die nicht unbedingt einer Meinung sind. Es gab Treffen mit Gegnern und Befürwortern einer Stromtrasse, Gemeinderatsversammlungen, Geflügelzüchtervereinen etc. Ich kam also dorthin, meist hatte ich einen oder zwei Mitstreiter dabei und stellte moelk vor. Nun kam der schwierige Teil: ich musste die Leute davon überzeugen, dass sie das Produkt testen und zwar sofort und gemeinsam mit allen Anwesenden. Moelk zu testen bedeutet folgendes: Aus einem zähflüssigen Ausgangsmaterial, dessen Hauptbestandteil Milch ist, entsteht durch gemeinsames Kneten, Ziehen, Bearbeiten eine Form, die man vielleicht als „erstarrtes Gruppenprofil“ lesen kann, als eine Art sozialer Plastik.
Die gemeinsame Arbeit soll verbindend wirken und eine neue Basis für Kommunikation eröffnen. Soviel zur Theorie. In der Praxis mussten wir uns mit einer Flut an hämischen Kommentaren, Beschimpfungen, Verweigerungen usw. auseinandersetzen, die wiederum zum Ausgangspunkt meiner Arbeit wurden. Und ich ernährte mich in dieser Zeit quasi ausschließlich von Rostbrätl mit Bratkartoffeln.
B: Du bewegst Dich in den verschiedenen Terrains von Romanerzählung, Journalismus, Ethnologie, Marketing… Worin siehst Du Dein besonderes Potential als Künstlerin heute?
JG: Ich möchte etwas betreiben, das zwischen diesen Kategorien liegt, beziehe mich aber auf eine ethnologische Arbeitsweise, konkret die der Interpretativen Anthropologie, die in den 70iger Jahren von Clifford Geertz entwickelt wurde. Er setzt die Feldforschungssituation mit einem literarischen Text gleich, dem man sich interpretativ nähern sollte und dessen vielfältige Bezüge und Verweise vom Beobachter in einer thick description (dichte Beschreibung) erfolgen sollte. Das schnelle interpretative Erfassen der Gesamtsituation, so Geertz, lässt Relevantes von Irrelevantem unterscheiden.
Was mich an dieser Arbeitsweise interessiert, ist erstens das quasi literarische Arbeiten. D.h., dreht man die Arbeitsweise der Interpretation von Gesehenem um (ich arbeite ja nicht nur an der Beobachtung von Ethnien oder Gruppen von Aussteigern etc., sondern auch an der fiktionalen Erschaffung derselben), so kann ich mit einer dichten Beschreibung sowohl in literarischen Texten, sachlichen Beschreibungen und Analysen von Situationen, in dokumentarischem „Fotomaterial“, sehr persönlichen Skizzen, Diagrammen, O-Tönen, Interviews mit Experten, dem Sammeln von Artefakten u.v.m. eine nicht generalisierende, sondern interpretierende „Erzählung“ ermöglichen.
B: Was reizt Dich, Dein künstlerisches Konzept vermittels immersiver Strategien der Werbung und Propaganda jenseits des gewohnten Kunstkontexts des White Cube von Museum, Kunstverein oder Galerie in die breitere Öffentlichkeit zu verbreiten?
JG: Mich interessieren einfach Standards, die wir als gesetzt ansehen und an denen man nur scheitern kann. „Erst wenn’s peinlich wird, wird’s interessant“ sagte Thomas Rug einmal, bei dem ich studiert habe. Ich möchte in meiner Arbeit nicht den Anschein erwecken, dass ich alle Vorgänge der Welt, die mir begegnen, verstehen könnte. Kunst resultiert oft gerade aus dem Nicht-Verstehen von Dingen, zu denen man auf einer anderen Ebene Zugänge finden kann, die sich nicht in Sprache fassen lassen.
Ich arbeite auch so. Auf der einen Seite gibt es das Versenken in den Arbeitsprozess. Da bin ich in einer Welt, in der es kein außen gibt und in der ich nichts abgleichen muss mit Dingen, die ich mir vorgestellt habe. Ich lasse dem Prozess also seinen Lauf. Irgendwann sitze ich dann da mit einem Haufen fast vollendeter Zeichnungen, die überhaupt keinen Sinn zusammen ergeben und zu denen ich das Verbindende erst herstellen muss.
B: Wenn Du hier die Zeichnung ansprichst, so ist sie in ihrer beeindruckenden Qualität das, was einen zuerst anspricht. Würdest Du Dich in erster Linie als Zeichnerin sehen? Und welche Rolle spielt dabei der blaue Zeichenstift?
JG: Ich konnte eine ganze Weile lang keinen Zeichenstift mehr sehen und war begeistert von allem Möglichen: Farbe auf Leinwände zu schmieren, Dinge ohne erkennbaren Verwendungszweck daraus zu nähen, meine Bilder auszupeitschen etc. Diese Abstinenzzeit vom Zeichnen brauchte es, um mich jetzt wieder voll und ganz davon einzunehmen. Was man mit dem Zeichenstift alles machen kann: Realitäten erschaffen wie auch einfach nur Gekritzel aufs Papier zu bringen. Ich habe in meinem Leben so viel gezeichnet, dass es mir nicht schwerfällt, neben erkennbar dokumentarischen Aufzeichnungen auch absoluten Unsinn zu zeichnen, der eine ähnliche Präsenz hat.
Der blaue Zeichenstift, der Assoziationen zur Blaupause weckt, spielt in dieser Arbeit eine wichtige Rolle. Er wird anders gelesen als ein Bleistift, der viel mehr der künstlerischen Sphäre zugeordnet wird. Der Kopierstift wiederum kommt aus der Büroarbeit, es steckt auch etwas Gequältes in ihm und das Arbeiten geht nicht so flüssig von der Hand. Aber ich nehme gern Bewerbungen von Leuten entgegen, die sich als Buntstiftspitzer betätigen wollen.
Das Interview führte Ferdinand Heinz Bude. / April 2019
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JANA GUNSTHEIMER, "MŒLK - VON DER GUTEN ABSICHT", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
JANA GUNSTHEIMER, "MŒLK - VON DER GUTEN ABSICHT", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
JANA GUNSTHEIMER, "MŒLK - VON DER GUTEN ABSICHT", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
JANA GUNSTHEIMER, "MŒLK - VON DER GUTEN ABSICHT", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
JANA GUNSTHEIMER, "MŒLK - VON DER GUTEN ABSICHT", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
JANA GUNSTHEIMER, "MŒLK - VON DER GUTEN ABSICHT", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
JANA GUNSTHEIMER, "MŒLK - VON DER GUTEN ABSICHT", FeldbuschWiesnerRudolph, 2019
7 - 7
THE FALL OF DIAMOND DUST
RUTH CAMPAU
MAR 08 - APR 13, 2019
VIDEO
WORKS OF THE SHOW
RUTH CAMPAU
Presence and Dust (black), 2019
Acrylic and spray paint, glitter on mylar, wooden shadow gap frame
200 x 125 cm
RUTH CAMPAU
Presence and Dust (black), 2019
Presence and Dust (white), 2019
Acrylic and spray paint, glitter on mylar, wooden shadow gap frame
200 x 125 cm
RUTH CAMPAU
Presence and Dust (black), 2019
Acrylic and spray paint, glitter on mylar, wooden shadow gap frame
200 x 125 cm
RUTH CAMPAU
Presence and Dust (black), 2019
Presence and Dust (white), 2019
Acrylic and spray paint, glitter on mylar, wooden shadow gap frame
200 x 125 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (light purple), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (light purple), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (black/blue)
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (black/blue)
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (iridescent purple), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (iridescent purple), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (blue/ white) , 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (blue/ white) , 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (open black), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (open black), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (light lime), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (light lime), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (silver), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (silver), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (ultramarin), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (ultramarin), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (light yellow), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
Diamond Dust (light yellow), 2019
Acrylic, mirror mylar, spray paint
41 x 32 cm
RUTH CAMPAU
THE FALL OF DIAMOND DUST, 2019
Acrylic and spray paint, glitter on mirror alu-dibond/wall installation
80 x 500 cm
RUTH CAMPAU
JAPAN, 2019
Acrylic and spray paint, glitter on mirror alu-dibond/wall installation
169 x 40 cm
EXHIBITION VIEWS
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THE FALL OF DIAMOND DUST, Ruth Campau at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
THE FALL OF DIAMOND DUST, Ruth Campau at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
THE FALL OF DIAMOND DUST, Ruth Campau at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
THE FALL OF DIAMOND DUST, Ruth Campau at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
THE FALL OF DIAMOND DUST, Ruth Campau at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
4 - 5
VIDEO
WORKS OF THE SHOW
MARLEEN SLEEUWITS
INTERIOR NO. 53, 2019
ULTRACHROMEPRINT FRAMED WITH MUSEUMS GLASS
150 × 120 CM
EDITION 5 / 2 AP
MARLEEN SLEEUWITS
NTERIOR NO. 54, 2019
ULTRACHROMEPRINT FRAMED WITH MUSEUMS GLASS
150 × 120 CM
EDITION 3 / 2 AP
MARLEEN SLEEUWITS
INTERIOR NO. 51, 2018
ULTRACHROMEPRINT FRAMED WITH MUSEUMS GLASS
140 × 200 CM
EDITION 5 / 2 AP
MARLEEN SLEEUWITS
INTERIOR NO. 49, 2015
ULTRACHROMEPRINT FRAMED WITH MUSEUMS GLASS
120 × 200 CM
EDITION 5 / 2 AP
MARLEEN SLEEUWITS
INTERIOR NO. 45, 2015
ULTRACHROMEPRINT ON ALUMINIUM WITH FRAME
200 x 150 cm 2015
EDITION 5 / 2 AP
MARLEEN SLEEUWITS
Interior No. 36, 2013
Ultrachromeprint on aluminium with frame
68 x 88 cm
Edition 5 + 2 AP
MARLEEN SLEEUWITS
Object No. 9, 2019
Tubelights, clay, iron and cables Unique piece
280 x 120 x 50 cm
Unique
FRAME MAGAZIN | Mar - Apr, 2019 | PORTRAIT
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FRAME- Magazin N´127 MAR- APR, 2019 | Portrait of Marleen Sleeuwits
FRAME- Magazin N´127 MAR- APR, 2019 | Portrait of Marleen Sleeuwits
FRAME- Magazin N´127 MAR- APR, 2019 | Portrait of Marleen Sleeuwits
FRAME- Magazin N´127 MAR- APR, 2019 | Portrait of Marleen Sleeuwits
1 - 4
EXHIBITION VIEWS
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FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
FICITIONAL SPACES, Marleen Sleeuwits at FeldbuschWiesnerRudolph Gallery, Berlin 2019
7 - 8
GROUP SHOW
MIXED TAPE
NOV 30 - JAN 19, 2019
EXHIBITION VIEWS
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MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
MIXED TAPE, NOV 30 - JAN 12, 2019
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1 - 14
WIM BOTHA | GL BRIERLEY | THORSTEN BRINKMANN | DANIELE BUETTI | RUTH CAMPAU | JACOB DAHLGREN | PAULE HAMMER | SAMUEL HENNE | MARLEN LETETZKI | BENEDIKT LEONHARDT | PHILIP LOERSCH | SARA-LENA MAIERHOFER | JENNY MICHEL | ANNA NERO | PAUL PRETZER | AUGUSTIN REBETEZ | DENNIS RUDOLPH | MARLEEN SLEEUWITS | DANIEL SCHAAL | NICOLA STAEGLICH | CHRISTINE STREULI | KLAUS-MARTIN TREDER |